Jürgen Wulff: Claus , du hast in den letzten Jahrzehnten diverse Unternehmen gegründet. Wir haben uns kennengelernt, als du 2001 den Meeting Manager, eine Software zum Veranstaltungsmanagement, auf den deutschen Markt gebracht hast. Was ist daraus geworden?
Von Deutschland nach Südafrika
Claus Lauter: Das Unternehmen hat es für sieben Jahre gegeben. Es ist dann verkauft worden an eine Veranstaltungsagentur. Ich bin allerdings schon nach sechs Jahren ausgeschieden und nach Südafrika, weil ich ein Jobangebot in Kapstadt erhalten habe. Ich bin also kein Auswanderer im klassischen Sinne. Für mich war die Destination oder die Location nicht ausschlaggebend, sondern das Arbeitsangebot. Es hätte auch sonst wo auf der Welt sein können.
Ich habe für erst für einen deutschen Unternehmer in Kapstadt, der ein Call Center betrieben hat, einen neuen Unternehmensbereich aufgebaut.. Nach ungefähr einem Jahr bin ich in Kapstadt von einem Immigration-Unternehmen abgeworben worden, das Leuten dabei geholfen hat, nach Südafrika einzuwandern und nach Australien und nach Neuseeland. Ich war da für neun Jahre. Ich habe als Marketingmanager angefangen und war zum Schluss Geschäftsführer.
Ich bin in dem Unternehmen als „angestellter Selbstständiger“ eingestellt worden. Sie wollten unbedingt jemand haben mit dem Background eines Selbstständigen und vor allen Dingen auch mit der Motivation von jemanden, der selbstständig ist. In der Zeit haben meine Geschäftspartner und ich weitere vier oder fünf Unternehmen in Südafrika gegründet. Die Gruppe von vier Leuten, ein Engländer, eine Deutsche, ein Südafrikaner und ich, hatten immer ein sehr unternehmerischen Drive und haben einfach neue Sachen ausprobiert, neue Unternehmen aufgemacht. Das hat sehr gut funktioniert, was nicht heißt, dass alles immer erfolgreich war.
Die Motivation kann sehr unterschiedlich sein
Jürgen Wulff: Du sprichst von Drive. Was treibt deiner Erfahrung nach Menschen an?
Claus Lauter: Ich glaube, dass die Motivation ganz unterschiedlich sein kann. Bei uns Vieren war die Motivation jedenfalls sehr unterschiedlich. Unser südafrikanischer Teilhaber und Geschäftsführer war sehr geldgetrieben. Für ihn war das Wirtschaftliche sehr wichtig. Er hatte auch einen finanziellen Background. Für mich als Marketing Director und meinen Sales Director war die Motivation eher das Ausprobieren, zu sehen, ob etwas funktioniert, ob man etwas aufbauen kann. Da war der Motivator Geld zweitrangig. Und für unsere deutsche Geschäftspartnerin war mehr der administrative Part, also das Führen eines Teams, Menschenführung, der Drive. Dadurch, dass wir alle ganz unterschiedliche Kernkompetenzen, Interessen und Motivationen hatten, hat das so gut funktioniert. Wir haben uns da ergänzt.
Man weiß nie, was funktioniert
Jürgen Wulff: Wenn du sagst, wir hat geschaut, was funktioniert. Kann man denn im Voraus sagen, was funktioniert und was nicht?
Claus Lauter: Ja, das weiß man im Vorfeld nie. Man hat immer nur eine Idee, eine Vision, der man folgt. Man kann so viel Homework machen, wie man will, das gibt einen immer nur ein Teil des Puzzles. Am Ende des Tages gibt es keine Garantie, ob etwas wirklich funktioniert oder nicht. Da gibt es so viele Faktoren, die von außerhalb kommen, die man nicht beeinflussen kann. Das ist halt das Risiko. Generell haben wir immer gesehen, ob wir eine Nische finden, einen Markt finden, der nicht besetzt ist oder indem wir besser sein können als die, die dort in der Nische schon arbeiten. Aber eine Erfolgsgarantie gibt es nie. Es ist immer ein Versuch, der Kauf eines Lotterie-Loses, um zu sehen, ob man einen großen Gewinn bekommt oder nicht.
Jürgen Wulff: In welchen Bereichen habt Ihr neue Unternehmen gegründet? In eurem Bereich, also dort, wo ihr ursprünglich Knowhow aufgebaut habt? Oder habt ihr auch völlig neue Felder aufgetan?
Jürgen Wulff: Sowohl als auch. Wir haben zum Teil im Bereich der Immigration versucht, neue Märkte aufzutun. Wir haben uns zum Beispiel mit dem Thema Immigration nach Kanada befasst und das auch aufgebaut. Das ist dann zum Schluss trotzdem gescheitert. Das war also spezifisch in unserem Kerngeschäft. Aber wir haben auch ganz andere Sachen gemacht, die außerhalb unserer Kernkompetenz lagen, z.B. ein Print-on-Demand-Unternehmen oder Export von Wein aus Südafrika nach China.
Jürgen Wulff: Wie kommt man auf so etwas? Gezielte Marktanalyse oder doch eher Zufall?
Claus Lauter: Zufall. Durch Geschäftspartner, durch Kontakte. Das sind einfach Dinge, die das Leben auf einen wirft. Jeder ist mal mit einer Idee gekommen. Für uns vier war immer grundsätzlich wichtig, dass alle vier interessiert waren, das Potenzial gesehen haben. Wir haben immer gemeinschaftlich entschieden. Wenn es dann nicht funktioniert hat und aus unterschiedlichen Gründen den Bach runtergegangen ist, hatte keiner dem anderen irgendwas vorzuwerfen, weil wir alle anfangs der gleichen Meinung waren.
Bei Chancen nicht zu lange warten
Jürgen Wulff: Wie geht man am besten mit solchen Chancen um, die sich einem bieten?
Claus Lauter: Ich denke, man sollte nicht zu lange warten, sich der Sache klar sein, seine Research und Hausarbeiten machen, aber auch einfach anfangen. Gerade, wenn es ein komplett neues Thema ist. Das kann man nicht alles im Vorfeld recherchieren, das ist Learning by Doing und auch Learning by Trial-and-Error. Aber das ist das Risiko und das Abenteuer, wenn man einfach anfängt.
Ich bin ein großer Freund davon, ins kalte Wasser zu springen. Ich habe das in meinem Leben in den letzten 35 Jahren unzählige Male gemacht. Immer wieder mal etwas anreißen und ausprobieren. Man kommt ja zum Teil in die Situation, dass man anfängt und dann sagt „Oh Shit, was mache ich hier eigentlich?“ Aber dann ist es auch schon zu spät. Da muss man weitermachen. Ich denke mal, es ist sehr viel Neugierde dabei und auch der der Wille zu lernen.
Fehler helfen einem, besser zu werden
Jürgen Wulff: Wie geht man mit falschen Entscheidungen um?
Claus Lauter: Ich glaube, damit geht jeder unterschiedlich um. Also im ersten Moment, je nachdem wie schlecht die Entscheidung ist oder wie die Auswirkung ist, hilft es auch mal gegen die Wand zu treten oder irgendwas auf den Tisch zu schlagen, um erst einmal die Aggression loszuwerden.
Aber Fehler helfen einem dabei, besser zu werden. Da gibt es gesellschaftliche Unterschiede. In Deutschland werden falsche Entscheidungen eher negativ gesehen. Wenn jemand scheitert, dann sagt die Gesellschaft „Wir haben es ja gleich gesagt, dass das nicht funktioniert. Wieso machst du das? Du hast ja keine Ahnung.“ In den USA ist es genau umgekehrt. In den USA sagen die Leute, du musst mindestens eine Firma einmal an die Wand fahren, damit du gelernt hast und weißt, wie es geht. Also je nach Gesellschaft kommt entweder ein Druck von außen oder eine Motivation von außen.
Dass Dinge falsch laufen, ist Teil des Lebens. Jeder macht Fehler. Und ich glaube, je mehr Fehler man macht, desto mehr lernt man. Ich habe etliche Unternehmen gegründet in den letzten zwanzig Jahren. Es wird immer einfacher. Man hat das schon etliche Male gemacht. Es wird einfacher über die Zeit und das resultiert auch daraus, weil man in den ersten paar Monaten etwas falsch gemacht hat.
Recherche, Recherche, Recherche
Jürgen Wulff: Gibt es jetzt trotzdem etwas, was man machen kann, um Risiken zu minimieren und Fehler zu vermeiden?
Claus Lauter: Es geht erst einmal darum, grundsätzlich herauszufinden, wie es funktioniert. Das bedeutet Recherche, Recherche, Recherche. Lernen und Puzzlestücke zusammenzufügen. Dann sollte man, wenn möglich, sich die richtigen Berater suchen. Auch da würde ich eine Auswahl treffen und sie vergleichen, bevor man sich für irgendeinen Berater, sei es jetzt ein Rechtsanwalt, ein Steuerberater oder was auch immer, entscheidet. Es geht darum jemanden zu finden, mit dem man nicht nur fachlich, sondern auch menschlich zusammenarbeiten kann. Das hilft enorm. Gerade wenn man in einem Umfeld ist, wo man vielleicht die Sprache, das Rechtssystem oder auch gesellschaftliche Normen nicht zu 100 Prozent versteht, weil man da nicht groß geworden ist. Dann ist es wichtig, auf Ressourcen zurückzugreifen, die dort sind. Nichtsdestotrotz kommt es immer zu dem Fall, dass man irgendwo Lehrgeld bezahlt.
Man braucht nicht unbedingt große Mengen Geld, um zu starten
Jürgen Wulff: Wie wichtig ist eine solide finanzielle Basis, wenn man anfängt?
Claus Lauter: Benötigt das Geschäft eine große Menge an Geld, um überhaupt starten zu können, beispielsweise Produktionsanlagen, dann braucht man Geld. Ist man im Dienstleistungssektor tätig oder z.B. im E-Commerce, wo ich mich jetzt seit 20 Jahren bewege, da braucht man natürlich wesentlich weniger. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass man große Mengen an Geld braucht, um etwas Neues zu starten, wenn man die richtige Idee hat. Wenn die Idee richtig gut ist, finden sich immer Leute, die gewillt sind, als Finanziers einzuspringen. Aber wenn die Idee nicht so gut ist, ja dann sollte man die Idee nochmals überdenken. (lacht)
Schon ein kleiner Proof-of-Concept gibt einem Feedback
Jürgen Wulff: Testest du deine Ideen?
Claus Lauter: Ich mache immer so eine Art Proof-of-Concept in klein, um einfach ein Feedback zu erhalten, ob ein Bedarf am Markt ist. Wenn dort ein entsprechendes Feedback kommt, egal ob negativ oder konstruktiv, dann kann man überlegen, ob man die Idee fortführt. Macht man daraus ein Projekt oder ein Business? Meistens muss man das Ganze aufgrund des Feedbacks noch überarbeiten.
Ich habe Fälle erlebt, wo Leute mit einer in Marmor geschriebenen Idee gekommen sind, sprich Auswanderer nach Südafrika, die mit ihrem deutschen Geschäftskonzept nach Südafrika gekommen sind und das dort 1:1 im Markt platzieren wollten. Und die sind fast durchgängig gescheitert. Südafrika ist nicht Deutschland. Das hat eine andere Sozialstruktur, eine andere Mentalität. Selbst wenn das Produkt gut ist, heißt es nicht, dass in Südafrika dafür ein Markt existiert oder dass Leute es kaufen. Ich glaube, das ist ein großes Problem, wenn Leute keinen ersten Proof-of-Concept machen, sondern direkt schon mit dem fertigen Konzept kommen und das platzieren wollen.
Jürgen Wulff: Du bist ja jetzt viel in der Welt umher gekommen. Gibt es Länder, wo es leichter ist, etwas umzusetzen?
Claus Lauter: Ja, also auf jeden Fall gibt es da gravierende Unterschiede. Zum einen gibt es Länder, wo aufgrund der rechtlichen und finanziellen wirtschaftlichen Voraussetzungen einfach ist, ein Geschäft zu eröffnen. Mein jetziges Unternehmen ist gemeldet in Singapur. Die Unternehmensanmeldung inklusive Business Accounts bei den Banken hat 36 Stunden gedauert. Ähnlich einfach ist es in Malaysia.
Ein weiterer Punkt ist die Akzeptanz des Unternehmenden im Umfeld, im Land. Da hat man ein ganz anderes Standing, wie in den USA, wo Unternehmer sein ja etwas ist, was jeder anstrebt. Das hat dort einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.
Schwierigkeiten kann es geben, wenn man die Sprache nicht beherrscht. Ich war jetzt anderthalb Jahre in Südamerika. Mein Spanisch ist ausreichend für den Alltag, aber ich kann sicherlich wirtschaftlich nicht viel unternehmen.
Dann ist da der gesellschaftliche Aspekt. Wie funktioniert die Gesellschaft? Ist das eine Gesellschaft, die sehr eng verzahnt ist, wo noch sehr viel auf Familientraditionen gesetzt wird? Ich will das nicht unbedingt Korruption nennen, was in einigen Ländern natürlich auch vorkommt, aber wo es sehr schwierig ist, als Außenstehender in bestehende soziale Strukturen hineinzukommen. Und dann gibt es Länder, wo das relativ einfach ist als Ausländer, weil es viele Expats gibt und wo es dann auch leicht ist, sich zu integrieren. In Asien ist das beispielsweise in Kambodscha so, man mag es nicht glauben. Und dann gibt es Länder, wo es sehr, sehr, sehr kompliziert ist. Aber grundsätzlich, wenn es einer wirklich will, dann kann man sich da auch durchboxen.
Dein Mindset braucht Offenheit und Neugierde
Jürgen Wulff: Gibt es ein Mindset mit dem man besonders umsetzungsstark ist?
Claus Lauter: Auf jeden Fall. In den letzten 15 Jahren habe ich sehr viele Auswanderer kennengelernt. Und da sieht man schon große Unterschiede vom Mindset her.
Diejenigen, die erfolgreich sind, bringen eine große Offenheit und Neugierde mit. Sie haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Die sagen eher, ich habe mehr Fragen als Antworten. Also man muss sich wirklich drauf einlassen und neugierig sein.
Ich habe heute mehr Fragen als vor 4 Jahren
Nach vier Jahren nonstop reisen, wenn mich einer fragt, ich habe heute mehr Fragen an die Welt, als ich vor vier Jahren hatte. Und man bekommt nicht immer Antworten. Man weiß einfach, wie wenig man eigentlich weiß von der Welt. Ich habe jetzt ungefähr 60 Länder besucht. Die Leute fragen mich immer „Hast du nicht langsam mal genug?“ Aber meine Reiseliste wird immer noch länger. Da kommen Länder hinzu, die ich vorher nicht so im Fokus hatte, wie z.B. der Iran. Darauf erhalte ich zum Teil eigenartige Reaktionen, weil es Vorbehalte gibt. Ich glaube, viele Leute haben zu viel Angst. Am Ende des Tages ist es einfacher, als man glaubt. Man muss einfach anfangen.
Es ist ganz wichtig, dass man diese Neugierde hat und dass man sich darauf einlässt. Das ist der Weg, wie wir es machen. Es ist leider sehr deutsch, dass nur der deutsche Weg funktioniert. Aber es gibt immer noch eine Millionen andere Varianten, die auch funktionieren, die nicht unbedingt in ein deutsches Hirn passen.
Es gibt gewisse deutsche Eigenschaften, die einem auch von anderen Ländern zugesprochen werden, wie Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, deutsches Ingenieurswissen und anderes. Aber wenn man genau mit diesem Mindset kommt, wird man in vielen Ländern gar nichts erreichen. Das heißt, man muss sich dort wirklich auf die örtlichen Gepflogenheiten einlassen.
In Erfahrung steckt das Wort Fahren
Jürgen Wulff: Claus , du hast mir mal erzählt, dass du und deine Partnerin bei Euren Reisen wenn möglich öffentliche Verkehrsmittel nehmt und nur dann fliegt, wenn es gar nicht anders geht. Ist Langsamkeit vielleicht auch etwas, was einem hilft vorwärts zu kommen, weil man einfach mehr mitbekommt, wie das ja beim Reisen auch der Fall ist?
Claus Lauter: Ja, das ist ein passender Vergleich. Im schönen deutschen Wort Erfahrung steckt das Wort Fahren. Das hat auch etwas mit Langsamkeit zu tun. Wir reisen nur mit öffentlichen Transportmitteln und wenn es uns irgendwo gefällt, dann bleiben wir da etwas länger. Und wenn es uns nicht gefällt, dann reisen wir halt am nächsten Tag weiter. Das ist eine Sache, die unsere Reise sehr stark beeinflusst hat, weil wir nur eine grobe Idee hatten, wo wir hin wollten. Wenn uns ein Local einen Tipp gegeben hat, dann haben wir unsere Reiseroute geändert und wir sind an Plätze gekommen, wo der normale Tourist nie hinkommt. Man kommt so in einen direkteren Kontakt zum Land, zu den Menschen. Wir haben in den letzten vier Jahren in erster Linie in Airbnbs, sprich privat gewohnt und auch immer ein Stück weit weg von den Sehenswürdigkeiten. Also immer in, was im Englischen „Blue Collar Areas“ heißt, also mittlere oder untere Mittelklasse, nie wirklich in den reichen Gegenden, um einfach einen direkteren Kontakt zu den Leuten zu bekommen, um zu sehen, wie sie wirklich leben.
Alle Menschen bewegen die gleichen 3-4 Sachen
Das hat wirklich einen großen Eindruck hinterlassen zu sehen, wie die Masse der Menschen lebt. Und das ist nicht viel unterschiedlich zu dem, wie jemand in Deutschland lebt. Die sind zwar manchmal ärmer und kulturell ist es unterschiedlich. Aber wir als Menschen sind alle gleich. Wir haben alle nur drei oder vier Sachen, die uns bewegen. Das ist für die meisten Leute vor allem Familie, Kinder und ein Job oder eine Aufgabe, die sie ausfüllt und die einen irgendwie erfüllt. Und das ist unabhängig von Religion, Politik, Rasse, Sprache, oder was auch immer.