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Dein Vorgehen muss dem Ziel folgen

Interview mit Fabian Schaub, Digitalisierungsexperte, Unternehmer, Autor

Jürgen Wulff: Fabian, du hast jahrelang mit High Performance Teams gearbeitet. High Performance klingt für mich nach anstrengender Arbeit.

High Performance ist anstrengend

Fabian Schaub: High Performance ist auch anstrengend, wenn du gewisse Kriterien nicht berücksichtigst. Das wichtigste ist, dass du in einem Umfeld von anderen Menschen bist, mit denen du gut klarkommt, mit denen du gut schwingst, indem du dich gerne mit diesen Menschen umgibst. Der zweite Punkt: Du machst Dinge, die dir leichtfallen, also Tätigkeiten, die gut zu dir passen und in denen deine Stärken liegen. Der dritte Aspekt: Diese Tätigkeiten ergeben für dich auch noch Sinn. Du kannst der beste Verkäufer sein, aber wenn du vegan lebst und dann an der Wursttheke stehst, dann wird das am Ende nicht gut funktionieren. Und sobald diese drei Aspekte stimmen, du tust etwas, was du mit deinen Stärken tust, bei einer Tätigkeit, die total sinnvoll für dich ist, in einem Umfeld von Menschen, bei denen du dich sehr wohl fühlst, passiert diese High Performance auf einmal wie von allein.

Dass es natürlich immer wieder Aufgaben gibt, die mal keinen Spaß machen, ist auch klar. Aber wichtig ist, dass du grundsätzlich in einem Umfeld bist, dass dir bei einer Herausforderung oder einem Problem einen Impuls gibt, was der nächste logische Schritt wäre und du richtig gefordert bist.

Du brauchst ein klares Wertesystem

Was ich für mich auch in allen Teams, mit denen ich bisher gearbeitet habe, immer als unglaublich wertvoll herausgestellt hat, ist ein klares Wertesystem. Werte sind im Deutschen ja ziemlich gut definiert. Beispielsweise ist ein Wert, dass du Vertrauen hast oder dass du mutig bist. Die amerikanische Definition gefällt mir sogar noch besser, weil die weitergefasst ist. Da heißt es, wir haben sogenannte Core Values, also Kernwerte, die beschreiben, wie wir ticken. Im Deutschen sagen wir, wir wollen offen miteinander kommunizieren, nur dann weiß immer keiner, was das konkret heißt. Was heißt schon wirklich offen? Und wie offen bin ich dann tatsächlich. Beim amerikanischen Unternehmen Zappos haben sie gesagt, wir schaffen ehrliche, vertrauensvolle Beziehungen durch offene Kommunikation. Und das ist schon ein toller Core Value.

Core-Value „Fühle dich wie zu Hause“

Ich habe in meinem Unternehmen den Core Value „Fühle dich wie zu Hause“. Und damit meine ich dieses Gefühl, nach Hause zu kommen und sich sicher zu fühlen, weil du den Leuten vertrauen kannst. Selbst dann, wenn du dich mal streitest weißt du, hier ist ein Ort, der für dich da ist. Da kannst du jederzeit sagen, ich habe etwas nicht verstanden, ich habe ein Problem, oder Ich brauche mal Hilfe. Und in dem Moment, wo ich dieses „Wie ticken wir?“ in den Werten festgehalten habe, kann ich das innerhalb eines Teams auch total einfach messen. Sind alle in diesem Wertekonstrukt, oder gibt es jemanden, der da radikal herausfällt? Wenn zum Beispiel jemand völlig feindlich gegenüber Frauen oder Ausländern eingestellt ist, dann kann ich auf mein Wertekonstrukt zurückgreifen und sagen, „Hey, du passt hier nicht rein.“ Und dann muss dieser Mensch konsequenterweise das Team verlassen.

Jürgen Wulff: Zu einem guten Umfeld gehören ja nicht nur die Menschen, sondern auch das räumliche Umfeld. Du bist ja vor kurzem umgezogen und hast jetzt die Chance, den Raum nach deinen Wünschen zu gestalten. Was gehört für dich zu einem guten räumlichen Umfeld, damit ein gutes Klima für die Umsetzung entstehen kann. Ich denke dabei sowohl an die Innengestaltung aber auch das äußere Umfeld mit Cafés, Restaurants und Freizeitmöglichkeiten.

Fabian Schaub: Ich nenne dir mal ein negatives Extrembeispiel. Ich habe in Frankfurt bei einem Unternehmen gearbeitet, die hatten ein Büro nicht weit vom Hauptbahnhof. Da haben sich regelmäßig direkt vor dem Büroeingang Leute Heroin gespritzt. Da habe ich mich mehr als unwohl gefühlt. Wir leben in einer Zeit, wo die meisten von uns remote arbeiten und im Homeoffice sind. Es hat schon eine absolute Relevanz bekommen, dass du einfach mal diesen Switch machen kannst, raus aus dem Arbeiten in dein Privatleben oder wieder zurück.

Ich mag Flexibilität im Arbeitsumfeld

Ich mag es sehr gerne, wenn du Flexibilität in dem Arbeitsumfeld hast. Wir reden ja heute viel von Coworking Spaces und Desksharing. Aber eigentlich fühlt es sich total gut an, wenn ich auf meinem Schreibtisch meine Sachen stehen lassen kann, weil ich immer wieder diesen Ort der Sicherheit habe, wo ich hingehen kann. Wenn ich mich entscheiden müsste, hätte ich am liebsten einen festen Arbeitsplatz und die Möglichkeit, mal in kreative Bereiche abzudriften. Also auch einen Raum, wo du ungestört telefonieren kannst. Einen Raum, wo du ein gutes Flipchart hast und deine Kreativität einfach walten lassen kannst.

Die Umgebung ist noch aus einem anderen Grund sehr wichtig. Der Gang zum Kaffee, egal ob jetzt in der Kantine oder draußen in einem guten Café, gibt Gelegenheit für das Zwischenmenschliche. Das wird häufig vergessen. Wie viele Dinge passieren auf dem Weg, wo ich zum Kaffee gehe. Da wird mal eine Idee kurz erzählt und man erhält Rückmeldung oder einen wichtigen Impuls.

Agiles Arbeiten ist gar nicht so neu

Jürgen Wulff: Wenn du mit High Performance Teams zusammengearbeitet hast, was ist deine Erfahrung in Bezug auf die Planung. Sollte die eher klassisch mit festgelegtem, ausführlichen Plan oder agil in kurzen Iterationen sein? Oder ist die Kombination von beidem der Königsweg?

Fabian Schaub: Die agile Arbeitsweise ist ja gar nicht so neu. Sie hatte schon in den 50er-Jahren bei Toyota ihren Ursprung. Daher stammen die Ideen von Lean Management, und von Kaizen, der ständigen Verbesserung, und KATA, der Perfektionierung eines Schrittes. Inzwischen sind wir bei mehr als 400 agilen Methoden. Dennoch waren wir bis zum agilen Manifest 2001 meist in einem Arbeitsmodus, der ungefähr so funktionierte: Ich schreibe irgendwie sechs Monate lang alles auf, was ich mir so vorstelle, dann gebe ich es einem Entwickler, der sitzt im besten Fall noch in einem anderen Land und dann weitere sechs Monate später kriege ich es zurück. Dann teste ich das Ganze und merke, es passt gar nicht zusammen. So habe ich schnell zwei Jahre verschwendet und nichts auf den Markt gebracht.

Greife ich den agilen Gedanken auf, dann schaue ich, dass ich in kleinen Inkrementen arbeite, alle zwei Wochen beispielsweise Software ausliefere und es so nach vorne geht. Und hier kommt schon der erste Trugschluss in der ganzen Agilität. Ich frage mich, wie viele Menschen wirklich mal das agile Manifest gelesen haben und wie viele dabei gemerkt haben, dass von diesen 12 Punkten 5 Stück nur funktionieren, wenn wir in einem Team Software entwickeln und diese ansonsten adaptiert werden müssen.

Das Vorgehen muss dem Ziel folgen: Wo will ich eigentlich hin?

Ich glaube, dass das Vorgehensmodell ganz stark dem Ziel, das ich erreichen will, folgen sollte. Und das darf dann gern auch mal klassisch sein, sich hinzusetzen und zu überlegen: Wo will ich eigentlich hin? Was ist das Ziel? Dann überlege ich, wie ich da hinkomme, und mache mir auch einen Plan, auf einer groben Ebene. Wie bei einem Hausbau. Ich baue zuerst das Fundament, dann kommen die Wände. Der Innenausbau folgt später, davor wahrscheinlich die Isolation. Die Einfahrt muss ich erst ganz zum Schluss pflastern, damit könnte ich aber auch schon früher anfangen. Es gibt also eine gewisse Parallelität.

Dann mache ich mir einen Umsetzungsplan und fange an. Auf dem Weg reflektiere ich immer wieder. Ist das, was ich erreichen wollte, auch eingetroffen, oder habe ich eine Herausforderung, die mir gerade zeigt, dass ich meinen Plan über den Haufen werfen muss. Es gibt ja auch herausfordernde Projekte. Willst du ein Haus bauen und fängst an, den Keller auszuheben, und stößt auf eine Ölquelle, dann musst du deinen Plan ändern. Durch das regelmäßige Reflektieren bleibe ich in einer Flexibilität.

Privat haben wir die Flexibilität immer

Ich glaube, im Privatleben haben wir diese Flexibilität immer. Wenn du den Kühlschrank aufmachst und es fällt die Butter herunter, dann musst du deinen ursprünglichen Plan ändern. Willkommen in der Welt von Veränderung. Wir sind ja permanent mit Veränderungen konfrontiert.

Im Berufsleben ist Veränderung dann so ein großes Thema, weil immer geschrieben wird, dass wir müssen: Wir müssen verändern, wir müssen machen, und so weiter. Da fehlt einfach dieser Rahmen, dass die Leute einfach wissen, wir machen das, weil wir etwas erreichen wollen. Wir generieren damit einen Mehrwert in unserer Gesellschaft oder auf der Welt. Und wenn ein Problem entsteht, ist das völlig normal. Welches Haus, das du mal planst, kommt wirklich genau in der Zeit mit genau dem Budget und genau der Qualität, die du haben willst, in die Fertigstellung? Und wann ist es überhaupt zu Ende? Sobald du darin wohnst, veränderst du eh wieder Dinge, und schon sind wir wieder in der Flexibilität und Agilität.

Ich glaube, was sich bei der Agilität , im Gegensatz zu diesem klassischen Vorgehen, massiv verändert hat, ist dass wir in viel kürzeren Iterationen wirklich reflektieren und zum einen auf das Ergebnis und dann den Weg anpassen. Aber auch auf den ganzen Prozess und die Menschlichkeit. Und dadurch, dass wir uns menschlich weiterentwickeln, die Dinge auf einmal besser funktionieren und einfacher werden, weil die Kommunikation halt viel enger ist.

Ein neues Führungsmodell

Eine Sache, die sich in diesem Kontext total verändert hat, ist das Führungsmodell. In der klassischen Welt gab es oft den Projektleiter, der die Fäden zusammengehalten hat und sich darum gekümmert hat, dass es funktioniert und irgendwann in so einen Firefighting-Modus gegangen ist, weil dann Dinge nicht mehr richtig funktioniert haben.

In der agilen Welt gibt es den Product Owner oder häufig oder jemanden, der fachlich verantwortlich ist und der da den Rahmen setzt. Und ich habe jemanden, der für das Menschliche zuständig ist, egal, ob ich das jetzt Coach für agile Arbeitsmethodik, Scrum Master oder wie auch immer nenne. Und dieses Führungsduo mit jemanden, der bewusst den Fokus auf den Menschen haben darf und auf den Prozess und auch immer wieder die Zeit dafür hat, sich darum zu kümmern, zwischenmenschliche Konflikte wegzuräumen und auch gerade nach außen zu netzwerken und zu verstehen, was passiert denn wo, das ist etwas, was neu dazugekommen ist. In dem Moment, wo ich zwei Personen für Führung haben darf, können sich auch zwei Personen kümmern.

Der Weg muss ganz viel Spaß machen

Jürgen Wulff: Wie viel Spaß muss man bei einer Produktentwicklung oder auf dem Weg zur Zielerreichung eigentlich haben?

Fabian Schaub: Der Weg muss ganz viel Spaß machen. Ich glaube, die Leute, die wirklich High Performance haben wollen, sind mehr am Weg interessiert als am tatsächlichen Ziel. In dem Moment, wo du das Ziel erreicht hast, denkst du schon an das nächste Ziel. Man ist nie fertig. Deswegen sollte man sich auf dem Weg immer wieder Raum für Spaß lassen. Ich habe neulich mit einem Team Nerf Gun War gespielt mit diesen Pistolen, die Schaumstoffpfeile verschießen. Wir waren 10 Leute in einem Großraumbüro. Was diese Menschen für ein Spaß hatten! Natürlich haben wir Schutzbrillen verwendet. Mit einem anderen Team habe ich in den Pausen immer die Videos angeschaut, in denen Männer 70-Kilo-Ambosse mit Schwarzpulver in die Luft schießen. Zum Abschied hat mir das Team einen Mini-Amboss geschenkt, weil diese Videos unser gemeinsamer Spaß waren.

Wir „zerdenken“ Dinge häufig

Jürgen Wulff: Wir sollten uns also mit Spaß oder Freude auf den Weg machen und einfach loslegen.

Fabian Schaub: Ich erlebe, dass wir Dinge häufig „zerdenken“. Wir haben eine Idee, wir haben die Vision. Dann überlegen wir ewig, wie wir anfangen und was wir machen. In der Zeit, wo wir überlegen, hätten wir schon längst den ersten Prototypen bauen können. Und das geht schneller als man denkt. Jake Knapp hat einen 5-Tage-Prozess für das Testen von Ideen für Google entwickelt und diesen Prozess in dem Buch „Sprint“ beschrieben.

Ich empfehle die Fakten zu checken: Was ist der kürzeste, schnellste Weg, um tatsächlich mit jemandem in Kontakt zu kommen, der diese Idee potenziell kaufen könnte? Den Weg sollten wir dann einfach ausprobieren. Das ist so ähnlich wie im Privatleben. Wenn wir jemand kennenlernen wollen, müssen wir Leute ansprechen und testen, ob wir zueinander passen.

Bauen, messen, lernen

Jürgen Wulff: Das entspricht ja dann der agilen Vorgehensweise mit dem Dreischritt Prototyp bauen, messen und lernen.

Fabian Schaub: Genau. Vorher sollten wir noch die Hypothese festgelegt haben. Bei einem Produkt ist es die Hypothese, dass es genügend Kunden gibt, die das Produkt kaufen werden. Bevor ich anfange zu bauen, muss ich überlegen, wann messe ich denn überhaupt?

Als ich hier in dieses Haus gezogen bin, in dem ich jetzt wohne, hat der Hausmeister zu mir gesagt „Wenn das erstmal richtig regnet, gucken Sie mal, ob es durch die Tür reinläuft oder ob die Tür dicht ist.“ Da dachte ich, das ist eine spannende Aussage. Als es dann das erste Mal geregnet hat, bin ich zur Tür gegangen und habe zum Glück festgestellt, dass kein Wasser reingelaufen ist. Wenn ich ein Haus baue, und ich setze Fenster und Türen, dann habe ich ja vorher implizit für mich festgelegt, das Ganze sollte dicht sein. Keine Windgeräusche, und kein Regen, der durchdringt. Das ist meine Hypothese. Und dann kann ich das messen.

Jürgen Wulff: Den Test könnte ich doch sehr einfach mit einem Gartenschlauch oder einem Eimer Wasser machen.

Fabian Schaub: Auch wenn der Rest vom Haus noch nicht fertig ist, kann ich sofort einen Gartenschlauch nehmen und einfach mal mit Vollgas dagegen spritzen. Und wenn es nicht funktioniert, habe ich die Chance zu lernen. Vielleicht habe ich die Tür falsch eingesetzt oder der Boden ist schief. Je schneller ich diesen Zyklus durchlaufe, umso besser. Es wäre ziemlich unangenehm, wenn ich in einem Bürogebäude das hundertste Fenster eingebaut habe und alle beim Regen undicht sind. Dann muss ich alle wieder austauschen. Es ist viel besser, gleich das erste Fenster zu testen.

Bin ich mir meiner Hypothese bewusst?

Jürgen Wulff: Aus einer Idee entwickle ich also die Hypothese, die ich sehr schnell testen sollte.

Fabian Schaub: Wir tun das sowieso immer. Die Frage ist: Bin ich mir der Hypothese bewusst? Wenn mein gesamtes Team weiß, welche Hypothese ich verifizieren möchte, dann kann auch das gesamte Team darauf hinarbeiten. Wenn das aber unausgesprochen ist, so nach dem Motto, wir probieren jetzt mal irgendwie die neue App aus, dann hat jeder ein anderes Bild. Man muss diese Klarheit schaffen in dem, was wirklich die Hypothese ist. Und bevor ich messen kann, muss ich auch wissen, wo sind Messpunkte und mit was genau messe ich?

Jürgen Wulff: Und damit komme ich sehr elegant weg von meinem Gefühl hin zu den Fakten. Ich kenne das selbst. Ich bin seit über 20 Jahren selbstständig. Ich habe ein ziemlich gutes Gefühl für Dinge, die geschäftlich erfolgversprechend sind. Allerdings: Nicht alles davon will ich machen, manches gefällt mir einfach nicht oder ist nicht mein Metier.

Fabian Schaub: Ich weiß, was du meinst. Das Gefühl ist auch wichtig. Aber irgendwann musst du die Idee in Worten fassen. Eine gute Hypothese zu formulieren, erfordert Mut, denn da ist ja dann auch wieder die Unsicherheit. Es ist zunächst nur eine ungeprüfte Wahrheit, von der du ausgehst. Wenn ich Teams gehe, dann wollen sich sehr viele Menschen damit gar nicht beschäftigen. Viele sagen „Hey, sag mir einfach, was ich tun soll.“ Wenn ich mir dauernd selbst ausdenken muss, was ich machen soll, dann ist das anstrengend.

Meine Hypothese: Der Mittelstand braucht Digitalisierung und Strategieberatung

Jürgen Wulff: Fabian, welche Hypothese testest du gerade persönlich?

Fabian Schaub: Ich komme aus der Großkonzern-Welt. Das heißt, ich habe fast nur mit Großkonzernen und Dax-Unternehmen zusammengearbeitet. Und meine Hypothese ist, dass es im Bereich Digitalisierung und Strategieberatung im Mittelstand viel Bedarf gibt, und zwar bei kleineren Unternehmen, die bis 30 Mann groß sind. Meine These ist, dass der Mittelstand sich keine Berater wie die Großkonzerne holen, sondern viel allein machen oder aber schlechte Beratung bekommen und dass es riesigen Bedarf für jemanden wie mich gibt. Ich gehe davon aus, dass ich mit meiner Dienstleistung in kleinen Unternehmen im Monat fünfstellige Umsätze generieren kann. Dazu muss ich meine Angebote flexibel neu schnüren. Hier ist das Bauen, Messen, Lernen: Erst Akquise machen, dann sehen, was als Rückmeldung kommt und dann daraus lernen und immer besser werden.

Meine Vision: Das Unternehmensdorf

Jürgen Wulff: Für mich bleibt die Frage nach dem Warum. Warum willst du raus aus der Welt der Großkonzerne? Was ist dein Antrieb? War es dir zu langweilig?

Fabian Schaub: Nein, überhaupt nicht. Ich möchte in meinem Unternehmen richtig gute Arbeitsplätze schaffen, damit es ganz viele Leute gibt, die es einfach richtig gerne mögen morgens hinzukommen. Und in dem ganz großen Bild in 15 Jahren hätte ich gerne so eine Art Unternehmensdorf, wo meine Company sitzt und wo Leute mit ihren Problemen, mit ihrem Unternehmen, mit ihren Ideen reinlaufen können und dann mit fertigen Unternehmen oder mit besseren Unternehmen oder wie auch immer rausgehen können. Ich habe ehrlich gesagt keinen Schimmer, wie das funktionieren soll. Deswegen ist es auch eine Vision.

Wenn ich heute in einem großen Konzern bin, dann bin ich in deren Kultur. Beim letzten Projekt habe ich 300 Tage für den Kunden gearbeitet, und da bin ich natürlich voll in deren Firmenkultur integriert, das war einfach zu groß und zu viel woanders anstatt etwas kleiner und bei mir. Selbst, wenn ich 10 Leute da rein schicken würde, wäre das verschwindend gering in diesen Unternehmen.

Deswegen möchte ich dieses Umfeld schaffen, wo ich mit kleineren Unternehmen arbeite, wo im Idealfall auch der Inhaber das Geschäft führt, um dann zu sagen, wir schauen einfach, was für dich am besten ist. Dann gibt es offene Gespräche, wo du am Montag mit unserem Digitalisierungsexperten sprechen kannst und am Dienstag mit jemandem, der sich mit Kundenmanagement auskennt. Du kommst als Kunde in unser Unternehmen rein und nimmst dir das Wissen heraus, was du brauchst, um bei dir die Umsetzung zu machen. Wir holen die Kunden zu uns, anstatt dass ich jetzt in einen Konzern reingehe.

Bauchgefühl unterstützt die Risikoabschätzung

Jürgen Wulff: Wie machst du die Risikoabschätzung und Risikominimierung bei diesem Wechsel.

Fabian Schaub: Also eine Sache, auf die ich mich immer verlassen, ist mein Bauchgefühl. Für mich ist ein ganz wichtiger Aspekt der Blick auf die Konsequenzen, um das schlimmste Risiko herauszufinden. Das Schlimmste, was mir gerade jetzt erst mal passieren könnte, unabhängig von Krankheit, ist, dass ich die Gehälter meiner Mitarbeiter nicht mehr zahlen könnte. Das wäre für mich schon dramatisch. Deswegen haben wir sechs Monate Puffer in der Firma, um alles bezahlen zu können, ohne Geldeingänge zu haben. In dem Moment bin ich schon mal wieder total entspannt, was das Risiko angeht. Zudem arbeitet mein Geschäftspartner zunächst weiter normal in Großkonzern-Projekten. Er kommt hinterher, sobald wir Umsätze im Mittelstand machen.

Wenn es finanziell problematisch werden würde, könnte ich mich wahrscheinlich auch wieder anstellen lassen. Und wenn es wirklich hart auf hart kommt, könnte ich zu meiner Mutter in mein altes Kinderzimmer ziehen und ich bekäme sogar noch etwas zu essen. Wirklich passieren kann mir also nichts, jedenfalls keine lebensbedrohlichen Dinge.

Motivation: Ich denke vorausschauend und belohne mich

Jürgen Wulff: Wie motivierst du dich für den Weg?

Fabian Schaub: Ich denke vorausschauend. Ich habe sechs Monate Puffer, ich kenne unseren Cashflow und unsere Erwartungen. Seitdem wir das Unternehmen gegründet haben, plane ich immer, was ich in welchem Monat erreicht haben möchte. Im dritten Quartal eines Jahres überlege ich dann für das nächste Jahr: Was ist mein Worst-Case-Szenario an Umsätzen und Ausgaben. Was ist mein Best-Case-Szenario? Und was ist mein Normal-Szenario? Und dann setze ich mit meinem Geschäftspartner Ziele. Es gibt ein Minimalziel, das wollen wir unbedingt erreichen. Wenn wir das schaffen, dann gehen wir gut essen. Dann setzten wir uns ein realistisches Ziel. Auch dafür gibt es eine Belohnung. Letztes Jahr haben das realistische Ziel erreicht und haben uns ein tolles Auto gemietet und einen Wochenend-Ausflug gemacht. Schließlich definieren wir noch ein Over-the-top-Ziel. Sollten wir das erreichen, dann gibt es ein Ski-Wochenende mit den Freundinnen, wo wir eine gute Zeit haben.

Jürgen Wulff: Wenn sich nun jemand gerade erst auf den Weg macht, welche Impulse möchtest du diesen Menschen mitgeben?

Schaffe dir einen visuellen Impuls für dein Ziel

Fabian Schaub: Ich habe zwei Impulse. Ich habe auf meinem Schreibtisch eine Postkarte in einem Rahmen stehen. Auf dieser Karte steht das Wertekonstrukt, in dem ich arbeite, die Vision und das tatsächlich messbare Ziel für 2035, das wir erreichen wollen. Ich kann das immer sehen, und ich habe genau das Gleiche auf meinem Handy als Hintergrundbild. Immer, wenn ich mein Handy angucke, erhalte ich diesen visuellen Impuls für mein Ziel.

Den ersten Schritt zu gehen ist Übungssache

Und der zweite Impuls kommt ursprünglich aus einer Challenge. Vor zweieinhalb Jahren habe ich das erste Mal eine Kaltduschen-Challenge mitgemacht. Dabei habe ich eine Sache herausgefunden. In der Dusche zu stehen, nach oben in die Brause zu schauen und zu wissen, dass du gleich ziehst, ist wesentlich unangenehmer, als einfach zu ziehen und kalt zu duschen. Und ich kenne das, dass ich in dieser Dusche stehe und wirklich fünf Minuten da hochgucke und denke: „So, mache ich das jetzt oder mache ich das nicht?“ Dann wird es immer unangenehmer. Jetzt, nach mittlerweile zweieinhalb Jahren, dusche ich kalt. Es ist immer noch unangenehm, aber der Impuls einfach reinzugehen, ist viel einfacher geworden. Den ersten Schritt zu gehen, das ist Übungssache. Je öfter du ihn gehst und danach feststellt, ich lebe noch, alles in Ordnung, es ist nichts Schlimmes passiert, desto einfacher ist es, in die Umsetzung reinzukommen und einfach zu machen.

 

Fabian Schaub

Fabian Schaub verbindet seit 11 Jahren auf einzigartige Weise Mensch und Digitalisierung. Als Unternehmensberater entwickelt er Strategien, mit denen Unternehmen wettbewerbs- und damit zukunftsfähig bleiben können. Er macht das Abenteuer Digitalisierung einfach und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter greifbar. Fabian ist studierter Informatiker, Autor und Unternehmer. Er hat sowohl für Großkonzerne, als auch kleine Mittelständler High-Performance Teams auf- und ausgebaut. Als Gründer der Digital Native Xperience GmbH hat er die Vision entwickelt zukunftsfähige und verantwortungsbewusste Unternehmen zu gestalten, in denen sowohl Menschen, als auch digitale Prozesse ihr volles Potenzial entfallen und deutsche Unternehmerinnen und Unternehmen als Gestalter der Zukunft agieren können.

Buch - Gesagt ist nicht getan

Dieses Interview wurde im Rahmen des Buches „Gesagt ist nicht getan“ von Jürgen Wulff geführt.