Jürgen Wulff: Katja, du bist Rhetorik-Trainerin und Plan B Mentorin Das klingt für mich nach zwei völlig unterschiedlichen Sachen.
Katja Kerschgens: Es klingt von draußen unterschiedlich, aber genau genommen ist es logisch. Ich bin seit 2002 Rhetorik-Trainerin und bringe Menschen Rhetorik näher. Also sprich Reden vor Publikum präsentieren. Und ich habe auf der anderen Seite für mich einen persönlichen Plan B entwickeln müssen, weil ich mittlerweile im Rollstuhl sitze. Und da habe ich gemerkt Mensch, da hast du so viel Informationen, so viele Möglichkeiten. Das kannst du anderen auch zeigen, was du damit machst und wie du daraus gelernt hast. Und deswegen Plan-B-Mentorin seit ungefähr zwei Jahren.
Jürgen Wulff: Erzählst du uns, was dir passiert ist?
Katja Kerschgens: Ich habe die Diagnose MS seit 25 Jahren und habe eine wirklich sehr, sehr guten Verlauf gehabt. Und dann hat das ganze Tempo ein bisschen angezogen. Und so seit fünf, sechs Jahren geht’s richtig rapide runter und deswegen sitze ich jetzt seit ungefähr zweieinhalb Jahren im Rollstuhl. Und das hat bei mir einiges bewirkt, dass ich an vielen Stellen umdenken musste. Und da habe ich viel gelernt und das kann ich anderen auch zeigen, wie das geht.
Jürgen Wulff: Lass uns einen kurzen Blick auf Rhetorik Trainer werfen. Du machst das ja auch ganz häufig für Führungskräfte. Diese Rhetorik Trainings?
Katja Kerschgens: Ich habe im Prinzip alle Branchen durch Trainings gemacht und mache auch jetzt noch Coachings für viele Leute. Und da habe ich zum Beispiel das Rede-Mentoring. Das kann in verschiedenen Möglichkeiten gebucht werden bei mir. Und dann geht es wirklich darum, Vorträge zu erarbeiten oder zu überarbeiten, wenn sie schon mehr oder weniger stehen. Und das Tolle ist, dass die Leute alle anders, aber wirklich ganz anders da rausgehen, als sie reingekommen sind.
Jürgen Wulff: Hast du denn einen ganz wichtigen Tipp für Menschen, die vor anderen reden sollen als Führungskräfte? Also ich kenne das ja selber aus meiner Zeit. Da muss man immer mal einen Vortrag halten, sei es vor Kunden, sei es aber auch vor eigenen Mitarbeitern, sei es im kleinen Rahmen oder im größeren Rahmen. Gibt’s so einen universellen Tipp, der immer zieht?
Katja Kerschgens: Was mir immer wieder auffällt ist, dass die Leute, sobald sie einen Vortrag halten oder eine Präsentation in eine Rolle schlüpfen. Ich muss es präsentieren und deswegen habe ich eine Rolle zu spielen. Das ist meinen Augen völlig falsch. Und das erste, was ich meinen Leuten immer wieder sage ist, macht euch doch mal klar, dass ihr als Mensch überzeugen sollt und dürft und müsst. Und die Erleichterung in den Augen ist jedes Mal unheimlich groß. Nach dem Motto „Darf man das?!“. Ja, das muss man sogar, denn nur Menschen überzeugen, nicht Pixel an der Wand.
Jürgen Wulff: Also keine Rolle spielen. Aber bin ich nicht als Führungskraft in einer Führungsrolle?
Katja Kerschgens: Ich glaube, dass die Vertrauensebene größer ist, wenn wie ich weiß, dass die Führungskraft auch ein Mensch ist und mir auch Menschlichkeit zeigt. Und auch wenn sie Sorgen hat, die auch wirklich mal mit den Kollegen oder Mitarbeitern teilt, um einfach mal klarzumachen, wir ziehen an einem Strang und ich bin nicht quasi der Vorläufer und ihr müsst mir hinterherlaufen. Es ist, glaube ich, mittlerweile verstanden worden auf vielen Ebenen, dass wir mit Menschen zu tun haben und auch Führungskräfte sind solche. Und die besten Führungskräfte sind in meinen Augen immer die, die irgendwo auch Fehler und irgendwelche Dinge haben, die nicht so toll gelaufen sind, weil die glaubhaft sind. Und das wird extrem gesucht: Glaubhafte Menschen.
Jürgen Wulff: Die auch nicht unfehlbar sind, weil dann der Anspruch natürlich unglaublich hoch ist.
Katja Kerschgens: Einfach nur so sein, wie man ist.
Jürgen Wulff: So kommt es ja auch für Führungskräfte ganz häufig vor, wie jetzt gerade in der aktuellen Corona-Krise, dass man völlig umplanen muss und da kommt dein Thema „Plan B“ zum Zuge. Hattest du eigentlich damals einen Plan B, als du dann doch in den Rollstuhl musstest?
Katja Kerschgens: Nein, den halte ich im Prinzip noch vor drei Jahren nicht. Ich arbeite mit mir und mit dem, was auf mich zukommt, immer so, dass ich sage, in dem Moment, wo es eintritt, dann wird es interessant für mich und dann kümmere ich mich darum oder ein bisschen vorher, wenn es sich abzeichnet. Aber im Großen und Ganzen, wenn man sich permanent Gedanken macht, was könnte alles kommen, dann nimmt man die Energie von dem, was ich gerade tue. Und in der Zeit, wo ich mich um solche Sachen überhaupt gekümmert habe, was kommen könnte, habe ich acht Bücher veröffentlicht und habe mein Business aufgebaut als Rhetoriktrainerin und, und, und. Das hätte ich mit diesem Gedanken, was kommt da bloß auf mich zu, nie geschafft.
Jürgen Wulff: Also du plädiert dafür, aktiv zu sein, das im Hinterkopf zu haben, aber sich nicht davon blockieren zu lassen.
Katja Kerschgens: Ganz genau. Das heißt, nicht immer diese negativen Gedanken, was könnte alles Furchtbares passieren, sondern wirklich nur schauen, was mache ich jetzt daraus? Und ich weiß zum Beispiel, als ich die Diagnose bekam, war ich noch im Studium und wollte mich damals halbtäglich selbstständig machen als Schlagzeugerin und hab dann gedacht, das lässt du mal lieber bleiben. Heute bin ich extrem froh darüber, weil ich war sowieso nicht gut genug. Und dann haben sich andere Dinge entwickelt. Und das finde ich auch total interessant, wenn man sich das mal nach hinten schauend ansieht, was hat sich daraus entwickelt? Und ich glaube, ich wäre ein anderer Mensch, wenn ich nicht so wäre, wie ich bin. Und dann wäre ich auch nicht heute hier in deinem Interview oder in irgendwelchen anderen tollen Situationen.
Jürgen Wulff: Du hast also tatsächlich was daraus gemacht. Du sagst, es ist immer noch genügend Zeit, dann, wenn es passiert ist, wenn es wirklich akut wird, zu sehen, wie gehe ich damit um und belaste mich nicht vorher schon damit.
Katja Kerschgens: Also man kann natürlich sich auf Eventualitäten ein stückweit einstellen, aber man sollte sich nicht permanent darauf fokussieren. Das ist entscheidend. Also wirklich, man kann ruhig einen Plan B CF in der Tasche. Hab kein Thema, aber dann wirklich erst mal sagen. So, jetzt erst mal den Plan und machen was damit um. Wenn die Dinge sich ändern, dann können wir ja zur Not immer noch das andere Ding aus der Schublade holen.
Jürgen Wulff: Jetzt in der Corona-Krise werden ja ganz viele Menschen dazu gezwungen, ihren Plan B zu entwickeln. Gibt es ganz grundsätzliche Tipps, die du geben kannst, wie ich da hinkomme?
Katja Kerschgens: Also das erste ist, dass die Menschen oft, wenn irgendetwas Negatives eintritt, so eine Art Grenzzaun vor der Nase haben, der fällt wie eine Schranke runter. Und dann wissen die gar nicht, wohin mit sich, rennen immer dagegen, andere kommen nicht weiter. Und ich appelliere dann dazu, sich ein Stück weit umzudrehen, mal hinzuschauen, zur Seite zu schauen, unter den Zaun durch. Es gibt nämlich unheimlich tolle Möglichkeiten. Vorausgesetzt, dass man sich nicht permanent fokussiert auf das, was nicht geht, sondern den Blick wendet und dahin schaut, was geht überhaupt und welche Alternativen gibt es denn? Diese Denke zu ändern ist schon ganz klar der erste Schritt.
Jürgen Wulff: Soll man dann für sich alleine bleiben oder sucht man sich andere? Was wäer deine Empfehlung?
Katja Kerschgens: Ganz wichtig ist es hier, dass man mit Menschen zusammenarbeitet, die positiv unterwegs sind, die Ideen haben, die Mut haben, die auch schon mal querdenken, die schon mal irgendwie völlig banale, verrückte Ideen haben. Vielleicht sind die sogar gut. Und die ganzen Jammerer und die Leute, die Angst haben, dass man diese ein bisschen ausblendet. Denen kann man nicht immer ausweichen, aber so ein bisschen mental an die Seite stellt, weil die einen nicht weiterbringen in dem Moment. Aber Leute, die einen unterstützen oder sogar ein stückweit mit tollen Ideen vorausgehen, an denen sollte man sich dann orientieren. Und das ist meine Entscheidung, mit wem ich mich umgebe.
Jürgen Wulff: Ich habe auf deiner Webseite gesehen, du redest von dem „Trotzdem“. Ist das dein letzter Tipp dafür, damit ich zu dem Plan B komme?
Katja Kerschgens: Also ein bisschen Trotz kann nicht schaden, auch wenn ganz viele Menschen mir sagen, das geht nicht und das würde ich nicht machen an deiner Stelle. Dann sagen, doch ich mache es aber trotzdem, kann einen wirklich in einen Bereich bringen, mit dem man vorher überhaupt nicht gerechnet hat. Und deswegen bin ich immer sehr froh, wenn Menschen dann sagen, ich habe es trotzdem gemacht. Denn das führt immer wieder zu ungewöhnlichen neuen, tollen Ergebnissen. Das Gegenteil von dem, naja, ich hab’s so gemacht, wie es alle machen, dass man da nicht mit weiterkommt, liegt ja auf der Hand.
Jürgen Wulff: Jetzt gibt es ja in der Corona-Krise ganz viele Menschen, die mit unterschiedlichsten Herausforderungen konfrontiert sind. Viele sind jetzt im Homeoffice. Wo siehst du da das Trotzdem?
Katja Kerschgens: Das ist ja schon das Trotzdem für sich, nämlich, ich arbeite trotzdem weiter, auch unter anderen Bedingungen. Bei einer anderen Firma ginge das vielleicht nicht. Aber hier machen wir es trotzdem. Und das ist schon extrem viel davon.
Jürgen Wulff: Und wenn jetzt jemand seinen Laden schließen muss? Also die Kollegin, die ihren Souvenirladen schließt oder die ein Bekleidungsgeschäft hat, was machen die, was ist deren Trotzdem?
Katja Kerschgens: Erst einmal aufhören zu überlegen, was hier alles schiefgehen könnte, sondern lieber überlegen, was könnte ich jetzt trotzdem machen, was ich vorher nie geschafft habe, weil ich keine Zeit dafür hatte? Das fängt beim Putzen und Umräumen und Umgestalten an und endet möglicherweise bei der großen Renovierung. Das tut vielleicht finanziell weh, aber ich rumsitze, nichts tun ist noch viel, viel teurer. Und deswegen kann ich nur appellieren, dann wirklich zu sagen, okay, das ist jetzt die Gelegenheit. Ich habe die Zeit dafür. Also mache ich das jetzt erst recht und trotzdem.
Jürgen Wulff: Vielleicht könnte man auch seinen Online-Shop dann mal aufbereiten.
Katja Kerschgens: Auch das geht auch. Nach dem Motto, da habe ich mich nie rangetraut. Und auf die Art und Weise haben die Leute vielleicht die Zeit und auch die Muße, dann zu sage, okay, dann mache ich’s halt, dann versuche ich das mal.
Jürgen Wulff: Aber was ist nun mit dem Taxifahrer, der jetzt arbeitslos wird, weil sein Chef ihn entlässt, weil einfach kaum jemand Taxi fährt derzeit?
Er ist nicht allein. Das betrifft ja ganz viele und ich glaube es ist ganz gut, sich zu vereinen mit anderen Leuten, per Internet z. B. Es gibt garantiert Chats, Diskussionsforen, wo man merkt, ich bin meinem Problem nicht alleine und in der Menge mit vielen Menschen kommt man vielleicht auf ganz ungewöhnliche Ideen. Und wenn keine Menschen mehr transportiert werden, dann vielleicht irgendwas anderes. Also da kann man auch ein bisschen querdenken und sagen, ich mache jetzt trotzdem was draus, denn jetzt sind wir alle Betroffene irgendeiner Form und ganz viele genauso wie ich. Und was machen wir jetzt gemeinsam trotzdem draus? Also nicht wirklich alleine rumsitzen und gegen die Wand starren, sondern sich Leute suchen.
Jürgen Wulff: Das klingt alles sehr positiv. Katja Bist du so ein positiver Mensch? Warst du das immer schon?
Katja Kerschgens: Ja, ganz klar, auf jeden Fall. Das Gegenteil muss man sich nur mal vorstellen. Wenn ich vor 25 Jahren damals schon in ein Loch gefallen wäre, nach dem Motto, um Gottes Willen, was kommt da jetzt möglicherweise auf mich zu, was ja gar nicht absehbar war, weil diese Erkrankung ja wie ein Damoklesschwert ist, dann wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Dann würde ich nicht so ein schönes Gespräch mit dir führen. Dann würde ich momentan nicht an meinem Buch arbeiten. Dann hätte ich keinen Vortrag gehalten bei GEDANKENtanken vor über 2000 Menschen. Also all diese Dinge wären nicht passiert, wenn ich von vornherein in den falschen Modus gegangen wäre. Und der positive Modus hat echt den Effekt. Ich habe acht Bücher auf dem Markt. Ich habe mein Business aufgebaut. Das war die bessere Idee, behaupte ich.
Jürgen Wulff: Wie ist das mit Selbsthilfegruppen? Hast du so etwas mal besucht?
Katja Kerschgens: Auf gar keinen Fall. Das ist mein persönliches Denken. Andere Leute, die ticken da ganz bestimmt anders. Aber für mich wäre das ein No-Go, weil ich möglicherweise mit Leuten zusammensitze, denen es noch schlechter geht, die jammern, die Probleme haben. Und was habe ich dann davon? Ich möchte mich mit Leuten umgeben, die Ideen haben, die vorangehen und die vielleicht sogar noch ganz woanders stehen, als ich noch stehe. Und das inspiriert mich. Und genau das suche ich.
Jürgen Wulff: Darf man denn nun gar nicht mal jammern? Ist das nicht auch mal gesund für die Psyche, dann auch mal den Frust rauszulassen? Jammerst du nie?
Katja Kerschgens: Doch und wie? Es gibt auch wirklich Momente, wo ich wirklich Nervenzusammenbrüche hatte. Ich gehe da durch und am Ende schüttele ich mich und lache. Nach dem Motto, das war jetzt wohl nötig, dass ich jetzt durch das Tief gegangen bin. Und dann schüttele ich mich und stehe ich wieder auf. Also mental zumindest.
Jürgen Wulff: Naja, das andere kann ja vielleicht nochmal kommen.
Katja Kerschgens: So ist der Plan.
Jürgen Wulff: Du sagst, du schüttelst du dich. Wartest du einfach ab, bis das vorbei geht? Oder hast du eine spezielle Methode, wie du aus so einem Tief wieder rauskommen ist? Das ist ja auch in der Psychologie immer sehr interessant, wie man es schafft, aus Tälern, indem man sich bewegt, wieder herauszukommen. Manche bleiben da stecken. Ich kenne eine ganze Menge Leute, die immer jammern, weil sie da unten sind, aber genau durch das Jammern nicht rauskommen.
Katja Kerschgens: Das ist auch wieder so ein Plan-B-Fall, nämlich den Leuten klarzumachen, okay, es ist alles furchtbar und ganz grauenhaft. Was ist denn das Gute daran? Und dann ganz gezielt auf eine einzige Sache schauen. Das allein kann manchmal schon ein bisschen etwas ändern und ein ganz kleines Lächeln ins Gesicht zaubern. Und für mich persönlich habe ich seit etwa einem Jahr das Thema mit Meditieren entdeckt und festgestellt, dass es auch ganz viel mit dem eigenen Ego zu tun hat und ganz viel innere Kraft aufbaut. Das hilft mir auch sehr.
Jürgen Wulff: Wie lange du das machst immer und wie lange, würdest du sagen, dass man es machen sollte, damit es überhaupt was bringt?
Katja Kerschgens: Entscheidend ist, es überhaupt zu machen. Egal wie lang, ob drei Minuten oder fünfzehn oder eine halbe Stunde oder drei Stunden. Ganz wichtig ist dieses Herunterfahren auf ein Minimum, damit dem Gehirn wirklich mal Pause ist, damit diese Dauerbefeuerung aufhört. Und ich persönlich mache es mittlerweile so, dass ich fast jeden Tag so eine dreiviertel Stunde bis Stunde durchführe, meistens als geführte Meditation. Die tun mir sehr gut und die macht übrigens mein Mann auch mit.
Jürgen Wulff: Dann ist das doch gleichzeitig etwas, was ihr in der Partnerschaft gemeinsam erlebt. Du sagst ja, du bist Plan-B-Mentorin. Also für Menschen, denen etwas Ähnliches oder etwas anderes passiert ist, was einschneidend im Leben ist. Bei welchen Konstellationen kannst du hilfreich sein?
Katja Kerschgens: Es geht nicht nur um Krankheiten. Es geht auch um Jobverlust. Es geht um Partnerverlust. Es geht um irgendwelche Sackgassen, in die man geraten kann. Das kann wirklich alles Mögliche sein. Entscheidend ist hier einfach nur, dass wir daran arbeiten, ganz intensiv den Blickwinkel zu ändern. Also, dass ich aus diesem Loch auch rausgucken und ein Stück weit wieder den Horizont entdecke. Und das kann wirklich für jeden sein, der in irgendeiner Art von Tief hängt, in irgendeiner Art von Sackgasse, die momentan ausbremst. Und zwar sowohl durch äußere Umstände als auch durch innere Umstände. Aber die werden ja meistens durch äußere angetriggert. Und wir schauen uns an, was die äußeren Umstände da genau tun und wie ich selber dann damit arbeiten kann bzw. auch feststelle für mich, die äußeren Umstände sind erst einmal völlig egal. Die Frage ist wie gehe ich damit um?
Jürgen Wulff: Also für diejenigen, die sich damit auseinandersetzen wollen, die können dich persönlich erleben. Aber du hast auch glaub ich ein Buch dazu geschrieben.
Richtig. Das heißt Einfach kann ja jeder. Entdecke das TROTZDEM in deinem Leben. Und da geht es genau darum, dieses Trotzdem aufzuwecken. Und das Tolle an dem Buch ist, dass es nicht nur allein auf meinem Mist gewachsen. Das sind ganz viele Geschichten von vielen Menschen, die in unterschiedlichsten Krisen stecken und es irgendwie trotzdem geschafft haben, da wieder rauszukommen und damit umzugehen. Und das ist als erste Leseempfehlung wirklich klasse.
Jürgen Wulff: Nun sind ja eine Menge Leute derzeit in Quarantäne. Du hast mir erzählt, dass das für dich jetzt gar keine große Sache ist, weil du empfindest, dass du im Rollstuhl sitzt, ist auch eine Art von Quarantäne.
Katja Kerschgens: Das ist schon so, weil ich seit fast zwei Jahren ungefähr 95 Prozent meiner Zeit zu Hause bin. Denn immer, wenn ich raus will, ist der Aufwand ein bisschen größer. Ich kann selber nicht mehr Autofahren. Also fährt mein Mann mich durch die Gegend und das so ein bisschen. So beschäftige ich mich halt zuhause mit meinem aktuellen Buch, an dem ich schreibe, oder mit so tollen Sachen wie Interviews oder eben mit Tieren. Und ich habe festgestellt, mich schreckt das nicht so ab und da kann ich auch viel teilen mit Menschen, die momentan das sehr ungewöhnlich finden und das sehr plötzlich auf einmal müssen. Also ich kann nur vorschlagen, das Leben ist jetzt anders und vielleicht ist es eine Chance, einfach mal Dinge zu entdecken, die wir uns vorher nie vor Augen geführt haben. Also von daher wirklich genau hinschauen, Dinge ausprobieren und ungewöhnliche Sachen machen.
Jürgen Wulff: Ich hab vorhin herausgehört, du willst wieder aus dem Rollstuhl raus.
Katja Kerschgens: Also dafür werde ich belächelt, ohne Frage. Aber es ist doch ein tolles Ziel. Es ist wirklich ein tolles Ziel. Und deswegen es hätte mich auch wirklich am Laufen. Zumindest mental. Und ich möchte das nicht nur erreichen, ich bin davon überzeugt, dass ich es erreiche. Denn, wenn ich das nicht wäre, dann wird es ja auch nicht klappen.